«Sensibilität ist eine Stärke»
Auf diesen Tenor hat vor allem das französische Fach gewartet. Aber auch italienische Partien lenkt Benjamin Bernheim mit seinen stilbewussten, fein schraffierten und nie oberflächlich effektvollen Interpretationen in eine neue Richtung. Ein Gespräch über Künstlerklischees, Stimmkrisen, Lampenfieber und die Tücken unserer schnelllebigen Zeit
Herr Bernheim, wie würden Sie den Stimmtyp «französischer Tenor» beschreiben? Oder existiert so etwas gar nicht?
Ich glaube, es ist ein Klischee – oder eine Marketingmaßnahme. Wenn etwas typisch sein könnte, dann vielleicht die Farbe. Dieses Silbrige. Anders als die eher goldenen italienischen Stimmen. Man kann es auch über die Komponisten definieren: Französische Stimmen fühlen sich zum Beispiel bei Massenet wohler. Meine Stimme hat sicherlich eher etwas Leichtes, sie ist nicht latinohaft.
Und trotzdem: Wir alle können mit unserer Stimme auf unsere Weise verschiedenes Repertoire bestreiten. Wenn ich also Französisches, Italienisches, Russisches oder Deutsches singe, dann gibt es immer einen klanglichen, farblichen Unterschied. Und dafür ist allein die Sprache verantwortlich, im Italienischen etwa das typische Squillo. Im Russischen kann ich sogar französische und italienische Farben zusammenfließen lassen.
Viele Solistinnen, Solisten, auch Vertreter der Dirigentenzunft sagen: Eine Mozart-Stimme gibt es gar nicht.
Genauso ist es. Fast alle Stimmtypen können Mozart singen. Ein leichter lyrischer Tenor kann den Tamino interpretieren, aber auch eine fast heldische Stimme. Und das …